Museumsretter für Tiroler Landesmuseen

Foto: Palazzo Ducale Mantova

Peter Assmann ist Kunsthistoriker, Museumsleiter, Schriftsteller und bildender Künstler. Der 56-Jährige wird ab November 2019 die Leitung der Tiroler Landesmuseen übernehmen. Der gebürtige Tiroler ist schon jetzt in Entscheidungen eingebunden.

In den Tiroler Landesmuseen erwartet Sie ab Herbst reichlich Arbeit. Welche Maßnahmen sind am wichtigsten?

Die Präsentation des Zeughauses als Sitz der Tiroler Geschichte und jene der Hofkirche muss verbessert werden. Die Themen der Ausstellungen im Zeughaus bedürfen einer Fokussierung. Was das Panorama anbelangt, so wird der Heldentod von Andreas Hofer auf Dauer zu wenig sein, um das Publikumsinteresse zu halten.

Wie finden Sie passende Themen für Ausstellungen?

Man darf nicht zu sehr von sich ausgehen, ich muss ein Gespür dafür haben, was für den jeweiligen Ort zu einer gewissen Zeit passend ist.

Welche Teile der Tiroler Landesmuseen sind Perlen?

Das Tiroler Volkskunstmuseum mit den prachtvollen Stuben und Krippen beinhaltet eine der besten Volkskunst-Sammlungen Europas. Ein Goldkind erbe ich von meinem Vorgänger, das Sammlungs- und Forschungszentrum in Hall. Es ist das prachtvollste Depot Österreichs, das vor zwei Jahren eröffnet wurde.

Eine Herausforderung ist das Ferdinandeum. Welche Schritte müssen zuerst erfolgen?

Schon 2023 feiert das Ferdinandeum sein 200-jähriges Bestandsjubiläum. Bis dahin müssen wir einiges auf die Beine stellen. Wir beginnen mit der Ausschreibung eines Architekturwettbewerbes. Der Umbau ist in groben Zügen politisch beschlossen. In diesem Gebäude muss vieles verändert werden, von der Klimatechnik bis zur Anlieferung, von barrierefreien Zugängen bis hin zu einer logischen Anordnung der Ausstellungsräume. Das Ferdinandeum bildet die Kunstlandschaft Tirols ab. Das Spannende an Tirol ist, dass man auf fast 100 Jahre Sammlungsgeschichte mit Südtirol und Trentino zurückblicken kann.

Möchten Sie Kontakte mit der Kulturszene in Südtirol knüpfen?

Nachdem ich Italien gut kenne, möchte ich die Tiroler Landesmuseen besser mit Südtirol vernetzen. Zudem habe ich Wurzeln auch in Südtirol. Ich stelle mir vor, dass z.B. Ausstellungseröffnungen, -tätigkeiten und -programme länderübergreifend koordiniert werden.

Sie waren schon in vielen Städten beruflich tätig. In Tirol, Linz, Wels, Mantua. Sind Sie prinzipiell ein wendiger Mensch?

Ja, schon. Die meiste Zeit meines Lebens habe ich als Museumsdirektor gearbeitet. Dieser Beruf ist darauf ausgerichtet, Netzwerke zu knüpfen, um interessante Ausstellungen bringen zu können. Ich muss die virulenten Themen kennen und wissen, wer sich womit beschäftigt. Die Leitfrage beim Netzwerken lautet: Warum sollte sich ein anderer für mich interessieren, wenn ich mich nicht für ihn interessiere?

Was schließen Sie derzeit noch in Mantua ab?

Wir eröffnen am sechsten Oktober 2019 die „Giulio Romano – Con Nuova e Stravagante Maniera“. Diese sensationelle Koproduktion mit dem Louvre ist bis sechsten Jänner 2020 im Palazzo Ducale zu sehen.

Sala di Troia, Foto: Palazzo Ducale, Mantova

Ihre Erfahrungen mit der italienischen Bürokratie?

Man muss lange zuwarten können und innerhalb von wenigen Tagen alles umkrempeln. Ein sizilianischer Richter erzählte mir: die Gesetze sind klar und wir wenden sie an, um unseren Gegnern klare Schranken aufzuweisen, aber für unsere Freunde interpretieren wir sie.

Wann haben Sie sich für Innsbruck entschieden?

Die Erneuerung war im Sommer 2018, als das Signal von Innsbruck kam, dass sie an mir interessiert wären. Der grausamste Feind des Guten ist das Bessere. Innsbruck ist besser.

Sie gelten als renommierter Museumsexperte. Was ist für Sie der Unterschied zwischen Kunst und Kultur?

Kultur ist jegliche menschliche Tätigkeit nach außen. Kunst ist ein kommunikativer Prozess in der Gesellschaft. Sie lässt sich nie eingrenzen, sondern ist auf das über die Grenzen Hinausgehende ausgerichtet.

Welcher Bereich von Kunst interessiert Sie am meisten?

Mich interessiert Kunst unter dem speziellen Aspekt der Kulturgeschichte. Also welche Rolle spielt sie zu welcher Zeit, was ist Kunst politisch gesehen und nicht so sehr das Isolierte oder Stilkritische. Gerade die europäische Kunst ist ein unglaublicher Schwamm, der alles in sich aufgesaugt hat. Was die Gegenwartskunst betrifft, so haben wir den eurozentristischen Blick zu einem globalen gemacht.

Sie sind auch Vorstandsmitglied der NGO SOS-Menschenrechte Österreich. Warum Ihr Engagement?

Ich habe mich schon als junger Künstler mit der Flüchtlingsthematik beschäftigt. Von der Ferne konnte ich in den letzten Jahren den Vorstandsvorsitzenden lediglich unterstützen. Wir haben es größtenteils mit Privatvermögen geschafft, das Haus der Menschenrechte aufzubauen. Hier können Flüchtlinge wohnen, Notfälle versorgt werden und unbegleitete Minderjährige betreut werden.

Wie beurteilen Sie die Situation der Flüchtlinge in Europa?

Die Flüchtlingskrise ist die wichtigste Frage, der wir uns heutzutage stellen müssen. Das Problem ist nicht gelöst, wenn Flüchtende an Grenzen erschossen werden oder im Mittelmeer ertrinken. Europa hat Jahrhunderte auf dem Rücken gewisser Kontinente gelebt, bis heute. Ich kann nur jeden dazu einladen, gegen Nationalismen und Kirchturmdenken vorzugehen.

Das Gespräch führten: Bianca Krammer und Ute Mörtl (Sommer 2019)

Zusätzliche Infos:

Ausstellung ab Herbst in Mantua:

Ausstellung „Giulio Romano – Con Nuova e Stravagante Maniera“

Koproduktion mit dem Louvre

Dauer: 6.10.19 – 6.1.20

Ort: Palazzo Ducale, Mantua

Giulio Romano war ein italienischer Maler, Architekt und Baumeister. Der Meister des Manierismus starb 1546 in Mantua.

Häuser der Tiroler Landesmuseen:

Ferdinandeum, Volkskunstmuseum, Hofkirche, Zeughaus, Tirol Panorama mit Kaiserjägermuseum

Weiterführende Links:

Palazzo Ducale

www.mantovaducale.beniculturali.it

Tiroler Landesmuseen

www.tiroler-landesmuseen.at

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